Es ist drückend heiß, die Sonne knallt und obwohl die Alster aussieht wie ein Spiegel, auf dem sich nur ab und an ein Windhauch kräuselt, ist der Adrenalinspiegel auf der Sonnenterrasse beim NRV etwa so hoch, als würden wir gleich bei 6 Windstärken auf den Atlantik auslaufen.

Endlich HelgaCup, endlich geht’s los. Vor uns die „Pairingliste“, die Übersicht, welche Teams in welchem „Flight“ segeln. Nein, das ist hier keine klassische Regatta, wir segeln im Bundesligamodus, das heißt, immer ein Flight à zwei Rennen (je Rennen ca. 10 Minuten) direkt hintereinander und dann wieder lange Pause bis zum nächsten Flight. Die erste unangenehme Überraschung: Wir sind leider nur für 4 statt wie die anderen Teams für 5 Flights eingetragen und dann gleich die zweite hinterher: Wir segeln nur einmal J70 – das Schiff, auf dem wir zwei Monate fast wöchentlich trainiert haben – und dreimal Seascape24 (das Schiff, auf dem wir überhaupt nur zweimal trainiert haben, wovon eine Trainingssession mangels Wind eher dem „Schweinswal-Watching“ vor Heiligenhafen diente). Na gut, wir sind ja ein „situativ-flexibel-handlungsfähiges“ Team, das sich nicht aus der Ruhe bringen lässt (hüstel) und backbord schlägt das Herz ja auf allen Booten. Erstmal ist ohnehin Startverschiebung. Mit einem zarten Windhauch startet irgendwann der erste Flight und während unsere Nachbarinnen auf der Sonnenterasse, ein Team vom NRV, noch intensiv das J70 Feld analysieren: „Guck mal, die fahren gut über links ... da oben kommt jetzt Druck...“, haben die Seascapes auf ihrer Bahn quasi eingeparkt und wie sich später herausstellt, schaffen mindestens drei Boote das Zeitlimit der Wettfahrt nicht. Wir unterhalten uns mit Eiskaffee und den vielen netten Frauen beim HelgaCup und rechnen schon fast nicht mehr damit, heute überhaupt aufs Wasser zu kommen und dann plötzlich:

„Paulinas – ihr seid jetzt dran!“ Wie, was, wo? Schon sind wir auf dem Motorboot und wenige Minuten später auf der Seascape24 vor der Startlinie. Und dann geht’s auch schon los, das Drei-Minuten-Signal fällt und Stella (Vorschiff) ist eigentlich noch völlig davon in Anspruch genommen, die Fahnenabfolge auf dem Startschiff zu analysieren („Welche Fahne ist das jetzt?“), kriegt die Zeit aber trotzdem hin und wir schaffen es mit Bootsspeed pünktlich über die Linie zu fahren, obwohl wir innerlich noch kaum auf dem Boot angekommen sind. Gefühlte zwei Wenden später kommt auch schon die Luvtonne und hier erwischt uns die einzige stärkere Bö des Tages und verschafft uns beim Runden unerwartete Kränkung – so dass wir prompt mit dem Großsegel die Tonne touchieren (wir verschenken ja keine unnötigen Meter beim Runden!). Bis dahin lagen wir an 3. oder 4. Stelle. Tonnenberührung bedeutet, dass wir einen Strafkringel drehen müssen (Wende/Halse). „Also, wir kringeln dann jetzt!“ – Stella: „KRINGELN? Wie jetzt? Und was ist mit dem Gennaker?“ Ja, schade eigentlich, dass wir das Kringeln nicht mehr geübt haben... Es klappt zwar, aber natürlich nicht, ohne den 68qm Gennaker hoffnungslos in sich selbst zu verwickeln, den wir dann aus lauter Aufregung auch noch anschließend halb überfahren. Gut, dass gerade keine starke Böe kommt... Hinter uns fährt inzwischen ein Juryboot, dessen Insassen sichtlich zwischen Belustigung und Kopfschütteln hin und hergerissen sind. Ok, aber irgendwie wäre es auch langweilig, wenn der FC (Sailing) St. Pauli hier so einen langweiligen Nummer-Sicher-Auftritt hinlegen würde. Irgendwie kommen wir noch hinter allen anderen durchs Ziel und beschließen: die nächste Runde läuft besser. Was sie auch tat, bis uns auf der zweiten Kreuz – erneut auf einem soliden 3. Platz liegend – ein Überläufer in der Fockschot einen Strich durch die Rechnung macht. Oh Mann! Kaum an Land bräuchten wir eigentlich alle einen Schnaps...
Weit sind wir am Freitag mit den Rennen nicht gekommen (5 Rennen). Also geht die große Rechnerei schon abends los: „Wann könnten wir morgen früh wieder dran sein als 7.?“ und „Wann wollen wir uns treffen?“ Wir einigen uns auf 09:00 Uhr – pünktlich um 08:43 Uhr fängt es in Hamburg an, wie aus Eimern zu schütten und zu gewittern. Endlich eine kleine Abkühlung. Das bedeutet erstmal Startverschiebung, was gut ist, denn „Wo ist eigentlich Anna (Steuerfrau)?" Nach gut einer Stunde Startverschiebung und einer Kaffee-überdosierten Anna mit Crew geht’s auf der J70 („Jippie“) ins nächste Rennen. Das erste Rennen schließen wir mit Platz 5 und das zweite sogar mit einem grandiosen Kopf an Kopf Rennen auf Platz 3 ab. 4 überglückliche Paulinas an Bord und 2 begeisterte Paulinas am Steg strahlen über beide Ohren. Jetzt heißt es aber erstmal wieder warten und warten... und warten, bis wir nachmittags im 13. und 15. Flight wieder dran sind, beide Male auf der Seascape 24. Gestärkt und voll motiviert aus dem 13., gut laufenden Flight geht es in unser letztes Rennen. Wir kommen sehr gut über die Startlinie, etwas zu gut, denn „War das jetzt ein Frühstart?“. Irgendwie waren alle Boote ziemlich früh dran, der Ton erklang, die Fahne wurde gehisst, aber keiner dreht ab – „Und nun?“, „Fahren wir jetzt zurück?“ Wir liegen vorne, sind uns nicht sicher und fahren weiter. Wir kommen an der Luvtonne an – wir sind immer noch Erster. Wir setzen den Gennaker, alles läuft, wir haben Speed drauf, alle anderen Boote liegen immer noch hinter uns. Wir wenden um das Leetor, fahren wieder zur Luvtonne, setzen den Gennaker und – „Oh mein Gott, Leute wir sind immer noch Erster.“ – Was für ein gutes Gefühl, an der Spitze zu fahren, bis die Ernüchterung an der Ziellinie auf uns wartet: „Sorry Mädels, das war ein Frühstart.“ Schade, egal, nächste Runde. Die nächste Runde läuft auf Position 3 oder 4 auch gut, bis kurz vor der Ziellinie 2 Boote von Backbord und ein Boot von Steuerbord sich stark nähern, wir mit dem riesigen Gennaker nicht viel sehen, kein Vorfahrtsrecht haben, halsen und - alle ziehen an uns vorbei. Ärgerlich, aber das Boot ist heil geblieben und wir sind auf Position eins gefahren, da nehmen wir auch die Strafpunkte in Kauf. Wir fahren etwas enttäuscht und entspannt diskutierend zurück zum Steg und bauen, als letzter Durchgang, die Seascape ab. Das war`s für die Paulinas. Wir sind durch mit all unseren Rennen und gönnen uns ein Budweiser und das leckere Essen vom NRV. Irgendwann wird die Musik lauter und die Stimmung ausgelassener und alle entschließen sich, noch eine bis mehrere Runden zu tanzen, zu trinken, zu quatschen und zu lachen.

 Die Party war eine weitere Gelegenheit, viele tolle Menschen kennen zu lernen und fröhlich unseren „Nicht-Letzter-Platz-Trotz-Disqualifizierung“ ausgiebig zu feiern. Der ganze Stress vom Vortag fiel ab und es war klar, dass wir weiter segeln wollen und uns der Spaß am Wichtigsten ist. Der Frühstart war das Schönste.
Am nächsten Morgen waren wir alle noch nicht ganz so munter, vor allem Stella (Vorschiff), aber wenn man schon den Schiedsrichter kennenlernt und das Angebot bekommt, auf dem Juryboot mitzufahren, reißt man sich eben zusammen!!!
Es war großartig. Und Stellas Magen war brav. Eine ganz besondere Stimmung auf dem Wasser vorm Start des Finalrennens: Angespannte Ruhe, nur das Ticken der Regattauhren. Dann ging es auch schon los. Die Jury nimmt die Verfolgung auf. Wir sind nah dran, verdammt nah. Jetzt haben wir Klarheit: die Schiris sehen alles, echt alles! Und Stella auch. Von Nahem kann man wunderbar alle Abläufe an Bord beobachten. Aha – Super interessant.
Das Rennen selbst war nicht ganz so aufregend wie erhofft. Diese Mädels konnten alle richtig gut segeln und haben nicht viel riskiert. Reichlich Abstand zwischen den Booten. Kein Protest – alle lieb und hoch konzentriert.
Der Zieleinlauf direkt vorm NRV war auch eine ganz besondere Stimmung. Es sah nicht mehr nach Steg aus. Mehr nach Stadion. Und hörte sich auch so an.
Ein Alsterdampfer-Cabrio fuhr auch durchs Ziel und wurde ebenfalls fröhlich bejubelt. Auch das Juryboot wurde gefeiert und auf mein „St. Pauuuuliii“-Ruf antwortete gefühlt der ganze Steg – äh … das ganze Stadion – standesgemäß mit „Sankt Paaauuuuuliiiiiii“. Gänsehaut. Das möchte ich noch mal erleben, aber dann bitte unter Segeln und mit meinen Paulinas! Auf den HelgaCup 2019.

 

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